Was den Schnitt von „F1“ so besonders macht.
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Ein Blick hinter die Kulissen mit Oscar-Editor Stephen Mirrione
Neulich bin ich über ein Interview mit Stephen Mirrione gestolpert – dem Mann, der den Schnitt beim neuen „F1“-Film übernommen hat. Wer sich ein bisschen mit Film auskennt, kennt seinen Namen vielleicht: Mirrione hat schon für Filme wie Traffic oder The Revenant geschnitten und sogar einen Oscar gewonnen. Jetzt hat er sich an den Formel-1-Stoff gewagt – und was er dabei erzählt, ist ziemlich spannend, selbst wenn man kein Cutter ist.
1. Mehr als nur Renn-Action: Emotion im Vordergrund
Von Anfang an war klar: Der Film sollte mehr sein als eine Abfolge spektakulärer Rennszenen. Es geht um den inneren Konflikt des Protagonisten, seine Herkunft, seine Entscheidungen. Ursprünglich startete der Film mit fast schon poetischen Bildern vom Meer – ein Traum, der symbolisch für die Hauptfigur steht. Aber: Das hat nicht gereicht, um die Zuschauer direkt abzuholen.
Also wurde der Einstieg neu gedacht. Jetzt wird die emotionale Geschichte direkt mit einem Crash verknüpft. So spürt man sofort, worum es geht: Risiko, Druck, Identität.
Editor Stephen Mirrione, ACE
2. Der Wahnsinn des Materials: 2000 Stunden Rohmaterial
Kaum zu glauben: Über 2000 Stunden Material wurden für den Film gesammelt – nicht nur das, was am Set gedreht wurde, sondern auch echtes Broadcast-Material von echten Formel-1-Rennen. Um da den Überblick zu behalten, hat das Team in mehreren Schritten gearbeitet: Zuerst wurde grob erzählt, was passiert, dann kamen Emotionen und Reaktionen dazu, schließlich Sound und Effekte. Ein riesiger Prozess, der viel Struktur erfordert.
3. Sounddesign: Wenn der Motor nicht stimmt
Ein spannender Teil betrifft den Ton. Vieles vom On-Set-Sound war nicht brauchbar – zum Beispiel stimmte oft der Motorsound nicht mit dem gezeigten Auto überein. Also wurde der Film erst einmal fast komplett stumm geschnitten, bevor das Soundteam von Skywalker Sound den Ton nachträglich aufbaute.
Besonders cool: Lewis Hamilton, einer der bekanntesten Formel-1-Fahrer, hat das Sounddesign überprüft. Wenn der sagte: „Das klingt nicht echt“, wurde nochmal nachgearbeitet. Anspruch an Authentizität: hoch!
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4. Schnitttechnik: Doku trifft Spielfilm
Mirrione arbeitet fast wie ein Dokumentarfilmer. Er schaut, was das Material hergibt, und baut daraus die bestmögliche Geschichte – auch wenn das bedeutet, Szenen zu verschieben oder neu zu strukturieren. Besonders auffällig ist sein bewusster Einsatz von Jumpcuts (also kleinen Bildsprüngen), um Gespräche lebendig und „echt“ wirken zu lassen. Gleichzeitig wird in den Rennszenen auf absolute Klarheit geachtet – damit man als Zuschauer nicht die Orientierung verliert.
5. Musik: Weniger ist am Anfang mehr
Musik wurde erst später ergänzt. Viele Szenen wurden bewusst ohne Musik geschnitten, damit der Rhythmus nicht von außen vorgegeben wird. Erst wenn die Szenen emotional „funktionierten“, kamen Songs wie „Voodoo Child“ oder „Whole Lotta Love“ dazu – passend getimt, um Schlüsselstellen zu unterstreichen.
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6. Der echte Grand Prix – echtes Finale
Das Finale des Films wurde bei einem echten Rennen gedreht – inklusive Podium, echten Fans, echter Stimmung. Die Szene wirkt dadurch sehr authentisch und gleichzeitig emotional aufgeladen. Auch hier hat das Team genau darauf geachtet, wie viel man zeigt, damit es sich rund anfühlt, ohne sich zu ziehen.
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Fazit: Präzision, Gefühl und ein bisschen Wahnsinn
Was Mirrione beschreibt, ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie viel Denkarbeit und Fingerspitzengefühl in einem Film steckt – besonders im Schnitt. Es geht nicht nur um Action, sondern darum, eine Geschichte emotional zu erzählen. Und zwar so, dass sie bei einem breiten Publikum funktioniert.
Wenn du also demnächst F1 schaust und dich dabei gut abgeholt fühlst – denk daran: Das liegt nicht nur an schnellen Autos und dramatischer Musik, sondern auch an einem Cutter, der genau weiß, was er tut.
Wenn du noch tiefer eintauchen willst: Das komplette (englische) Interview mit Stephen Mirrione findest du direkt bei Boris FX – inklusive aller technischen Details, Anekdoten und Schnittphilosophie.
👉 Hier geht’s zum Original: https://borisfx.com/blog/aotc/art-of-the-cut-f1/