Jurassic World: Rebirth – Wie der Schnitt den Film formt

Mit Jurassic World: Rebirth startet die Dino-Saga neu – visuell wuchtig, rasant erzählt und technisch beeindruckend. Doch was viele im Kino kaum wahrnehmen: Ein Großteil der Spannung entsteht erst im Schnitt.

Verantwortlich dafür ist der neuseeländische Cutter Jabez Olssen, der sein Handwerk bei niemand Geringerem lernte als Peter Jackson: Er war Schnittassistent bei Der Herr der Ringe: Die Gefährten und schnitt später die komplette Hobbit-Trilogie. Auch bei Rogue One: A Star Wars Story hatte er den Schnitt unter Kontrolle. Für die Doku-Serie The Beatles: Get Back wurde er 2022 mit einem Emmy ausgezeichnet.

Als großer Fan von Mittelerde war ich sofort neugierig, wie jemand wie Olssen an einen Dino-Blockbuster herangeht – und wie viel von seinem Stil sich in Jurassic World: Rebirth wiederfindet.

🎬 Vom Rohmaterial zur Filmszene: Wie man Spannung baut

Eine Szene entsteht nicht einfach durch Kamera und Schauspiel – sie entsteht Schritt für Schritt im Schnitt. Olssen beschreibt, wie zu Beginn alle Aufnahmen einer Szene hintereinandergelegt werden. Das nennt man ein Selects Reel. Erst daraus sucht man die besten Momente aus – manchmal eine bestimmte Mimik, ein gelungener Blick, eine Kamerabewegung.

Ein Beispiel:
Die Boots-Szene mit dem Mosasaurus wurde stark gekürzt. Statt alles zu zeigen, wurden einzelne Elemente zusammengezogen – um das Tempo zu halten. Eine Szene, in der eine Figur namens Zora ihre Waffe fallen lässt, wurde komplett gestrichen. Sie bremste den Flow – also weg damit.

Olssens Herangehensweise an den Schnitt wirkt zugleich klassisch und modern. Das Team drehte auf echtem 35mm-Film, was für ein organischeres Bild sorgt – gerade in Zeiten voll digitaler Produktionen ein spannender Kontrast. Gleichzeitig wurde schnell und digital gearbeitet: Bereits einen Tag nach Drehschluss hatte Olssen erste Szenen zusammengeschnitten, um dem Regisseur ein Gefühl für den Ton und das Tempo des Films zu vermitteln.

Was ebenfalls auffällt: Die Actionszenen in Rebirth sind deutlich klarer strukturiert als in vielen vergleichbaren Blockbustern. Olssen setzt auf klassische Bildsprache, verständliche Geografie im Raum und spürbare Dynamik – alles kein Zufall, sondern Ergebnis akribischer Schnittraum-Arbeit.

Dabei musste der Schnitt oft rhythmisch gedacht werden: Tempo, Emotion und Storytelling mussten im Einklang bleiben. Manche Szenen wurden mehrfach umgebaut oder stark gekürzt, um den Fluss des Films zu erhalten. Besonders deutlich wird das in Momenten, in denen der Film sich Zeit nimmt – langsame, atmosphärische Einstellungen, die Spannung aufbauen, ohne gleich zur nächsten Explosion zu hetzen.

Jabez Olssen´s Avid Timeline

Jabez Olssen´s Avid Timeline

🌍 Dreh wie Lego: Bilder sammeln, später zusammensetzen

Die Drehweise von Regisseur Gareth Edwards ist besonders: Er sammelt viele Naturaufnahmen – z. B. Strände, Dschungel, Meer – und setzt sie später im Schnitt wie Bausteine zusammen.

Gedreht wurde z. B. viel in Thailand. Aus einem echten Küstenabschnitt entsteht dann durch visuelle Effekte ein neuer Ort: mit fliegenden Vögeln, CGI-Dinos und digital ergänzten Gebäuden.

Spektakulär: Die Szenen auf und unter Wasser. Teile wurden real gefilmt, andere komplett am Computer gebaut – der Übergang ist nahtlos.

🎞️ Neun Monate intensive Postproduktion

Nach dem Dreh wurde der Film in London geschnitten. Jabez Olssen saß dort täglich mit Gareth Edwards und den Visual-Effects-Teams zusammen.

Kein klassisches „du machst deinen Teil, ich meinen“ – sondern:
Jeden Tag gemeinsam schauen, anpassen, überarbeiten.

Über 1.500 VFX-Szenen wurden erstellt – mehr als in jedem Jurassic-Film zuvor. Dabei wurde laufend ausprobiert, gekürzt, verschoben, bis jede Szene wirklich saß.

Jabez Olssen’s Schneideraum in Goldcrest, Soho

⏱️ Tempo ist alles – was rein darf, was rausfliegt

Edwards wollte, dass der Film unter zwei Stunden bleibt. Der erste Schnitt lag knapp darunter. Das Studio wollte dann doch noch fünf Minuten mehr.

Eine Szene an einer Tankstelle – eigentlich spannend – wurde wieder rausgenommen. Sie verlangsamte das Tempo zu stark.

Ein schöner Rat kam von Steven Spielberg:

„Ein guter Film ist wie ein gutes Essen – nicht zu viel, nicht zu wenig. Am Ende sollte man noch Lust auf mehr haben.“

Regisseur Gareth Edwards (Mitte) am Set von JURASSIC WORLD REBIRTH. Foto von Jasin Boland/Universal Pictures © Universal Studios. Alle Rechte vorbehalten.

🎥 Gedreht auf echtem Film – für mehr Gefühl

Anders als viele moderne Blockbuster wurde Rebirth auf echtem 35mm-Kodak-Film gedreht – mit Panavision-Kameras und speziellen Objektiven.

Das sorgt für ein warmes, organisches Bild. Farben wirken kräftiger, das Bild weicher, weniger klinisch. Besonders im Dschungel sieht man das: tiefes Grün, starke Kontraste – ein Look, der an die Klassiker der Reihe erinnert.

Cutter Olssen sagt dazu:

„Es hilft enorm, wenn echte Bilder und CGI nicht gegeneinander kämpfen, sondern sich ergänzen.“

🎬 Fazit: Schnitt ist Storytelling

Jurassic World: Rebirth ist ein Film, der visuell begeistert – aber vor allem durch kluge Entscheidungen im Schnitt überzeugt.

Man sieht: Ein guter Cutter ist kein reiner Techniker, sondern ein Erzähler. Und manchmal entscheidet nicht das Drehbuch, was am Ende im Kino landet – sondern das, was beim Schneiden wirklich funktioniert.



PS: Ich finde es spannend, wie wenig man beim Filmschauen merkt, wie viel „unsichtbare Arbeit“ im Schnitt steckt. Wer Lust hat, sich mal in eine Timeline zu setzen – ich zeig’s euch gern.



🦖 Persönlich gesagt

Auch wenn Rebirth für mich nicht an die Magie des ersten Jurassic Park herankommt, hat er mir besser gefallen als der dritte Jurassic World-Teil. Vielleicht liegt’s an der Mischung aus handwerklich gut gemachtem Film und dem Gefühl, wieder einmal mit Dinos im Kino zu sitzen.

Und ja – es scheint, als gäbe es nur noch Franchises im Kino. Aber vielleicht ist das gar nicht schlimm. Vielleicht ist es sogar beruhigend zu wissen, dass wir auch mit 80 noch ins Kino gehen können – und Star Wars, Dinos und Co. auf uns warten.

 

🔗 Quelle und Lesetipp

Viele der Infos in diesem Artikel stammen aus einem lesenswerten Interview mit Jabez Olssen auf der Website von Art of the Cut: 👉 Zum Originalartikel (englisch)

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